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30. November

Hatten wir ein unglaubliches Glück!! Oder wir waren einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Nachdem wir nämlich den Nationalpark Chiloes bei erneut regennassem Wetter verlassen hatten ging es weiter in Richtung Quellon, wo wir uns nach einer Fährverbindung auf das Festland erkundigen wollten. Und da wir immer noch keine Sicherheit hatten, ob die Schotterstrecke der Carretera austral für unseren BIK-Theo zu schaffen ist, wollten wir dies umgehen und möglichst gleich nach Puerto Chacabuco im Süden verschiffen. 'Nein, alles voll', sagte uns da aber der zuständige Agent im Büro der Fährlinie, der zudem offensichtlich gut im Stress war. 'Samstag ist ausgebucht. Nach Chaiten (im Norden der Carretera), da könnt ihr am Sonntag mitfahren.' So ein Mist, dachten wir, 2 Tage hier im Regen stehen um überhaupt zu verschiffen und dann noch die Ungewissheit, wie es von dort weitergeht. Und blieben unschlüssig, ob wir vielleicht doch wieder Richtung Norden und dort nach Argentinien fahren sollten. Und weil wir nicht so richtig entscheidungsfreudig waren, gingen wir einfach noch einmal hin. Zwischen telefongeklingel und anderen Anfragen hieß es dann plötzlich vom Agenten: Mittwoch könnt ihr mit. Fährt am Abend ab und kommt Freitag morgen an. Hmmm, wir zöggerten und blieben stehen. Er telefonierte und sagte dann: Hat grad jemand abgesagt, ihr könnt auch morgen mit. Okay! Das war doch genau das, was wir wollten. Also schnell gebucht, gezahlt, noch mal die Daten abgesprochen und die Kinder freuten sich auch sehr. Da war es gar nicht so schlimm, dass sich in und um der Stadt kein wirklicher Standplatz für die Nacht finden ließ und wir erst 30 km weiter etwas passables fanden. Die Nacht ist außerdem sternenklar und vielleicht regnet es dann morgen nicht einmal...?

29. November

So einen richtigen Regentag haben wir seit dem 26. August nicht mehr gehabt. Es fing bereits gestern Abend an. Der Wind frischte merklich auf und Wolken zogen über den Abendhimmel. In der Nacht begann es dann richtig zu stürmen, sodass es sogar die dreieinhalb Tonnen unseren BIK-Theo ordentlich schüttelte. Davon ließen wir uns aber nicht stören, sondern genossen die kuschelige Wärme und schliefen wir bis tief in den Tag. Erst halb zehn standen wir auf. Das Wetter hatte sich nicht merklich gebessert und Sturm peitschte noch immer vom Pazifik durch die Dünen auf uns zu. Die Kinder überlegten schon, welches die bessere Seite wäre, auf die BIK-Theo fallen sollte, aber so weit kam es nicht. Am Nachmittag begann der Wind abzuflauen, Regen setzte ein und als auch der vorbei war, rissen die Wolken auf und hier und da schien die Sonne hindurch.

Bewegungdrang hatten wir nun alle und machten uns deshalb alsgleich auf den Weg. Einen Spaziergang durch die Dünen des Nationalparks Chiloe hatte wir geplant und so liefen wir und das Wetter wurde immer besser. Am Strand angelangt, blies uns der Wind kräftig um die Ohren und die Wellen brachen hunderte Meter vor dem Strand. Knapp drei Stunden sind wir spaziert und fanden das wohl einzige geöffnete Lokal der Umgebung, in dem Sivian es genoss zu krabeln, Ithana zwei Portionen aß und wir uns eine Flasche Wein zu frischem Lachs schmecken ließen. Trotz oder gerade wegen des Regens war es ein wunderbarer Tag, der so zuende ging.

27. November

Am Lago Todos los Santos harrten wir lange aus, weil wir auf das allnachmittägliche, schöne Wetter hofften: Eine Bootstour wollten wir nämlich machen. Aber es klarte einfach nicht auf. Zumindest nicht solange wir warteten, sondern erst, als wir bereits auf dem Weg zum nächsten Ort waren. Eine solche Heimtücke kann uns aber nicht schrecken und so kehrten wir kurzerhand um, um wenig später mit einem Ex-Fischer (und heutigen Bootsführer) über den See zu schippern. Wir genossen die kleine Fahrt in der Abendsonne und ließen uns vom Leben der vereinzelten Uferbewohner berichten. Keine Straße führt zu den Grundstücken und Häusern und auch per Pferd sind sie nicht zu erreichen. Der einzige Weg führt über das Wasser. Und so wird jeden Tag selbst gebacken und nur ein Mal im Monat im nächstgelegenen Ort, etwa 20 Kilometer entfernt, eingekauft. Aber viel braucht man auch nicht. Die Kühe geben Fleisch und Milch, aus der auch Käse und Butter hergestellt wird. Ein paar Hühner legen Eier und Fisch gibt es im See reichlich. Nur im Winter ist es manchmal hart. Wenn es sehr kalt wird und der Wind kräftig bläst, fällt die Schule aus. Denn dann wagt niemand den Weg über den See.

Die Nacht verbrachten wir am Fuße von Kris´Lieblingsvulkan, dem Osorno. Und als wir am Morgen zwischen den gelben Ginsterbüschen erwachten, glänzte dessen schneebedeckte Spitze im Morgenlicht. Herrlich! Nachdem wir uns sehr gemütlich fertig gemacht hatten, ging es weiter nach Puerto Varas, einem Zentrum deutscher Einwanderung - seit über 150 Jahren. Wir hofften hier auf Nutella, Streusselkuchen und Christstollen, bekamen aber leider nichts davon. So deutsch geprägt wie erwartet war es hier auch gar nicht, deswegen aber nicht minder schön. Denn direkt am Lago Llanquihue gelegen, bietet sich den Bewohnern ein großartiger Blick über das Wasser auf den Vulkan. Nach unserem (erfolglosen) Stadtbummel fuhren wir noch ein wenig weiter und waren in Puerto Montt. Hier erkundigten wir uns nach einer Schiffspassage, die uns weiter in den Süden bringen und uns viele Kilometer Schotterpiste ersparen würde. Das Ergebnis war allerdings preislich für uns keine Alternative und so werden wir wohl mit unserem BIK-Theo demnächst wieder langsam über die Schotterstrassen rollen. Nach einer Fischmalzeit fuhren wir noch ein paar Kilometer und setzten nach Chiloe über. Hier übernachten wir heute auf dem Grundstück eines Landwirtes, den wir nach einem guten Standplatz fragten und freuen uns auf morgen.

26. November

Mitten in der Seenregion sind wir und beinahe in Nordpatagonien. Das Wetter ist inzwischen deutlich kühler geworden. Nachts frischt es auf, sodass wir häufig froh sind ohne Zeitdruck noch ein wenig unter unseren Decken liegen bleiben zu können. Sehr einladend ist es auch meist nicht, denn morgens ist es häufig bewölkt und erst im Tagesverlauf klart es auf. Am Abend haben wir oft strahlend blauen Himmel und genießen die traumhafte Landschaft mit Seen, grünen Berge und schneebedeckten Vulkanen.

Heute, im Nationalpark bei Petruehe, haben wir schon einmal einen Vorgeschmack bekommen, wie es in der nun kommenden Saison werden wird. Nachdem wir bisher die touristische Ruhe sehr genossen haben, trafen wir heute auf einem kleinen Wanderweg zu beschaulichen Wasserfälle auf die geballte Touristenladung aus 14(!) Reisebussen. Ein Gewimmel war das... Doch meist haben bleibt diesen Reisenden nur wenig Zeit und so lohnt es sich auszuharren und wie verzaubert ist plötzlich wieder alles leer.

Vorgestern haben wir den vierten Monat unterwegs abgeschlossen und nun, es mag ja fast wie Hohn klingen, verbleiben "nur" noch zwei. Inzwischen müssen wir deshalb wieder vorausdenken und wir haben bereits begonnen unsere Rückreise zu organisieren. Der Plan ist noch immer Weihnachten auf Feuerland zu verbringen und danach geht es für uns die gut 3000 Kilometer zurück nach Buenos Aires.

22. November

Heute morgen waren wir noch immer am Lago Villarica. Gestern hatten wir eigentlich vor, im Nationalpark eine kleine Wanderung zu machen, sind aber leider an der Zufahrt gescheitert. Denn wie so meist handelte es sich um eine unbefestigte Straße, die zudem mit viel Geröllanteilen und kräftigen Anstiegen unseren BIK-Theo herausforderten. Wir planten um und versuchten einen anderen Parkzugang nahe der argentinischen Grenze, doch hier wies uns ein Schild auf 20 km Straßenbauarbeiten mit nur notdürftiger Schotter-Ersatzstraße in die Schranken. Immerhin klappte dann unser Nachmittagsprogramm: ein Ausflug hoch zu Pferde, alle 6! Sivian durfte die Aussicht aus der Kraxe genießen und fand es tatsächlich fast die gesamte Stunde interessant. Marnas dagegen hatte einen Sitzplatz vor Britta auf dem Sattel und fand die kleinen Etappen im Trab am besten. So ging es über einfache Wege, vorbei an Weiden mit Lamas und rotbunten Kühen, ein wenig bergauf und bergab, durch die Bäume war ein See zu sehen. Nachdem das Wetter den ganzen Tag über immer schnell gewechselt hatte, war nun der Himmel wieder blau und rings um uns konnten wir die grünen Bergwipfel sehen. Sehr idyllisch! Im Anschluss haben wir -wie schon am Vorabend - das Thermalbad Trancura genossen.

Der heutige Tag startete wieder mit einer Wolkendecke, aber die Veränderungen kommen hier schnell. Auf unserem weiteren Weg durch das 7-Seengebiet haben wir immer mal wieder ein wenig Nieselregen, dann plötzlich eine aufreißende Decke mit einem Arreal tiefblauen Himmels. Die Natur hat hier ausreichend Wasser, die Regionen der kargen Böden liegen klar hinter uns: hier ist es grün und Sträucher, Bäume und Büsche wachsen üppig. Unterwegs treffen wir ein belgisches Paar, das seit 14 Jahren in der ganzen Welt unterwegs ist, davon seit 10 Jahren in Amerika. Außerdem ein weiteres belgisches Paar, die von Mexiko per Rad etwa 11.000 km bis hierher geradelt sind und ebenfalls bis nach Feuerland wollen. Unsere Hochachtung, das ist schon eine tolle Leistung! Wir erfahren, dass die Fähre über den Lago Pirihueico zur argentinischen Grenze bis zum 6. Dezember nicht fährt und werden nun unsere weitere Route ein wenig umplanen.

20. November

Vulkane, Vulkane, Vulkane: Vulkan Antuco, Vulkan Laima, Vulkan Villarica. Und alle sind sie klassisch, so wie in den Reiseführern: Hoch empor ragend mit einer weißen schneebedeckten Spitze! Drumherum hat der Fühling schon kräftiges Grün hervorrgebracht und es schießen die Ginster in kräftigem Gelb und der Flieder steht in der Blüte.

Heute sind wir am Lago Villarica angekommen, der am Fuße des gleichnamigen Vulkans gelegen ist und haben Letzteren bestaunt. Denn dieser qualmt beständig und und gibt klar zu verstehen, dass wir einer sehr jugen vulkanischen Region sind. Aber nicht nur wegen der Optik ist das wunderschön. Richtig toll ist, dass hier eine Thermalquelle neben der nächsten ist. Und so haben wir unseren Nachmittag im warmen Wasser verbracht. Ithana, Talaja und Marnas baden noch immer, Sivian schläft bereits und wir beide haben soben im Außenbecken den Sonnenuntergang hinter dem Vulkan beobachtet.

Wie es von hier für uns weiter geht ist noch ungewiss. Abhänig vom Straßenzustand werden wir entweder die Grenze nach Argentinien passieren oder noch auf chilenischer Seite ein wenig weiter nach Süden fahren.

18. November

Wir hatten uns den Nationalpark Laguna del Laja vielleicht etwas anders vorgestellt. Eher wie einen klassischen Park? Grüner? Bei unserer Anreise trug das trübe Wetter dazu bei, dass der Nationalpark ein wenig trostlos wirkte: Wolken in allen Grauschattierungen die sich im weiten Wasser spiegelten, der steinig-wüste Boden, karge Bergwände. Da haben wir von den grünen Hängen auf der anderen Seite des Sees noch nichts gesehen. Kalt wurde es und ungemütlich im Wind. Aber wir hatten gehört, es solle am nächsten Tag schöner werden und so suchten die Kinder ein paar Lavasteine, wurden von Kris mit einem Schneeball erschreckt, wir aßen früh zu Abend und kuschelten uns in die Betten. Bereits da lichtete sich hier und dort der Himmel, blaue Flecken waren zu sehen, ein paar Berge in den letzten Sonnenstrahlen. Als wir jedoch spät in der Nacht noch mal raus gingen, hätte es uns fast die Sprache verschlagen. Statt dessen holten wir den Fotoapparat heraus und rangen uns so einige kalte Minuten ab für ein natürlich grandioses Bild: vom Vulkan Antuco, leuchtend-schneeweiß vor mondbeschienenem und sternenklarem Himmel ohne eine Wolke. Welch ein Nacht-Panorama! Am nächsten Tag war wie vorhergesagt ein traumhaft sonniges Wetter und wir konnten in den unterschiedlichen Ecken des Parkes spazieren: über grobsteiniges Geröll-Lavafeld, weites feinsteiniges Land mit großes, oftmals wie durch massive Kräfte zerbrochenen Felsen, am Ufer der Lagune, durch niedriges Buschwerk auf steinigem Grund bis zu den eindrucksvollen Ursprungsfällen des Rio Laja mit weißtürkisem Gebirgswasser. Toll! Und über all dem schwebte majestätisch der Schneekegel des Vulkanes, an dem sich gelegentlich ein kleines Wölkchen verfing.

16. November

Bis ein gutes Stück hinter Pelluhue sind wir gefahren, dort fanden wir einen abgelegenen Strand mit wieder feinem schwarzen Sand. Der Wind hatte sich inzwischen gelegt und so konnte man prima am Strand sitzen und sogar ein Lagerfeuer unter sternenklarem Himmel machen! Dazu gab es ein paar Mundharmonikatöne und mal wieder einen verspielten Standplatzhund, der mit Vorliebe Stöckchen holte. Fischer standen auf den Felsen, die Krebse oder Krabben fischten. Waren dort bis lange nach Sonnenuntergang beschäftigt und trugen schließlich einen großen Sack nach oben.

Am nächsten Morgen war alles wolkenverhangen und ungemütlich aber immerhin nicht windig. Da klopfte es an die Tür und Christian und Betina, die sich hier in der Gegend eine neue Existenz aufbauen luden uns ein. Wir verbrachten dort mehrere Stunden, bestaunten ihr neu aufgearbeitetes Gelände mit Cabanas, Saunen und Pool, mit Wasserfall und tollem Strand. Ist noch nicht ganz fertig, aber im Dezember geht es los.

Heute hatten wir ein ganz spezielles Erlebnis! Wir fuhren nach Lota, wegen der im Reiseführer beschriebenen Minen. Waren deutlich schwieriger zu finden als beschrieben. Aber auch der Ort war eindrucksvoll, die kleinen Hütten, dicht an dicht am Hang gebaut, einfache Unterkünfte. Irgendwann wurde Kris von einem Polizisten angehalten, der fragte, woher wir kämen und wohin wir wollten. Kris erklärte, das wir zu den Minen wollen und als er es schließlich verstand, da meinte er, es sei besser, wenn er voran führe. So kamen wir zu regelrechtem Polizeigeleit. Bei der Mine trafen wir zunächst viele sehr freundliche ehemalige Minenarbeiter. Nachdem wir uns erst einmal gestärkt hatten ging es los: erst eine kleine Führung oberirdisch, dort gab es ein paar typische Häuser aus früheren Zeiten, aufgebaut für einen Film, der hier gedreht wurde. Und dann wurden alle mit Helm und Lampe (mit 12- h-Batterie) ausgerüstet. Und runter in den Schacht. Ein paar Stufen und dann je zu viert in einem winzigen Aufzugkäfig 40 Meter runter. Talaja und Ithana waren in dem ersten, der unterwegs etwas der Wand angeschlug und unten war es ganz dunkel, bis der Guide Licht anschaltete. Alle machten ihre Helmlampen an, denn schon wenige Meter weiter war dies das einzige Licht. Es ging runter im Hauptgang, hier konnte man stehen und laufen, er zeigte uns das Nottelefon und niedrige, enge Seitenstollen, in denen die Kohle im deutlich sichtbaren Flöz abgebaut wurde. Kniend oder hockend. Wir wurden durch die verschiedenen Gänge geführt, bekamen ein frisch gebrochenes Stückchen Kohle, dann machten wir alle mal das Licht aus um diese völlige Dunkelheit zu erleben. Das war unheimlich und das wurde es im Nachhinein noch mehr, als uns oben ein sehr engagierter Mitarbeiter zeigte, wo wir denn unter der Erde waren: bereits unter dem Pazifik! Und diese Mine soll die älteste sein, die unter den Meeresboden getrieben wurde. Da kann es einem hinterher schon ein wenig anders werden und Ithana meinte auch, wenn sie das vorher gewusst hätte, wäre sie möglicherweise gar nicht mitgekommen.

14. November

Gestern und heute schon wieder. Schotterpiste. Aber halt, wir sprechen hier nicht von einer geschotterten Piste, sondern eher von Strecken, deren Geröll dem eines mittleren Gebirgsbaches gleichen. Das wäre auch noch hinzunehmen, wir fahren schließlich vorsichtig und sehr langsam (deshalb haben wir auch für 45 Kilometer Strecke knapp 4 Stunden benötigt), aber zwischendurch gibt es Anstiege, die es wirklich in sich haben. Manchmal dachten wir schon, dass wir ohne das vollständige Entladen von BIK-Theo hier gar nicht mehr herauskommen. Vor uns ein Berg, hinter uns ein Berg und wir in der Mitte drin, ohne Platz zum Schwung holen oder mit fiesen geschwindigkeitsfressenden Kurven davor. Letztlich sind wir dann an drei Hängen gescheitert und mussten umkehren, um eine andere Piste zu versuchen. Der Grund dafür ist hauptsächlich, dass unser Dicker auf dem weichen, teilweise sandigen Untergrund keinen Griff findet. Heute waren wir ein Mal mehr der Kapitulation nahe. Trotz langen Anlaufs und dreier Versuche, bei dessen Letzten alle bis auf den Fahrer ausstiegen, schafften wir es nicht. Dann aber legten unsere Frauen Hand an, während Kris fuhr, Sivian schlief und Marnas nach drinnen verbannt wurde. Und siehe da, kein Spaß. Wir schaften es. BIK-Theo kam nach oben und wir ersparten uns einen Umweg von gut 100 Kilometern. Jaja, das sind so unsere kleinen Abenteuer, die ordentlich zusammen schweißen.

Inzwischen sind wir wieder - welch eine Wohltat - auf einer asphaltierten Straße. Rechts neben uns ist der Pazifik und die Sonne steht hoch oben am wolkenlos blauen Frühsommerhimmel. Eine Dünenwanderung haben wir gemacht, die uns vorkam, wie ein Ausflug in eine Wüste. Direkt an der Küste gibt es hier einen Sandstreifen. 20 Kilometer lang und drei Kilometer breit. Der Wind pfeift ordentlich darüber und einmal ein paar Schritte gegangen ist man mitten drin. Menschenleer war es und überall war Sand! Die heutige Nacht wollen wir abermals am Pazifik verbringen. Das Wasser ist zwar hier zum Baden inzwischen viel zu kalt, aber es ist einfach toll, die Sonne jeden Abend im Meer versinken zu sehen. Dann ist es fast wie Urlaub :-)!

12. November

Heute haben wir etwa 12 gefühlte und 3 wirkliche Stunden Schotterpiste hinter uns. Das Rappeln ist dabei gar nicht unbedingt das Schlimmste. Was mindestens genau so anstrengend ist, ist der viele feine Staub, der sich durch alle Ritzen arbeitet. Deswegen hat es uns dann schon ein bisschen gewurmt, dass es offensichtlich eine neue Straße direkt neben der Piste gibt, die wir gefahren sind und die uns sicherlich 2 knappe Stunden erspart hätte. Aber eine tolle Landschaft War es dafür, die wir durchfuhren. Vergessen ist die Einöde der unendlichen langen Atamcama-Wüste. Wir sind jetzt wieder in saftigen grünen Tälern angelangt, fahren vorbei an dicht bewachsenen Hügeln, durchqueren Wälder und sehen am Straßenrand die kräftigen bunten Farben des Frühlings bevor hinter der nächsten Kurve ein See oder eine Lagune erscheint. Und jetzt stehen wir wieder am Meer. Es ist dunkel draußen, aber wir hören die kräftige Brandung auf den schwarzen Sandstrand schlagen. Gerade klopfte es noch an unserer Tür und draußen stand ein Mann, der nicht mehr vollkommen nüchtern aber sehr herzlich uns seine Freude über unsere Ankunft mitteilte. 10 Jahre hat er mal in Karlsruhe gelebt, wohnt jetzt aber wieder hier und arbeitet als Fischer. Morgen um 6.00 Uhr geht's los und um 12.00 oder um 01.00 Uhr ist er zurück. Dann will er uns einen großen Fisch schenken.

10. November

Wir beschlossen, zwischen den beiden großen Städten Chiles - Valparaiso und Santiago – eine Verschnaufpause zu machen und bogen von der Autopisa del Sol ab Richtung Küste. Das Wetter war etwas unfreundlich, grau und nieselig, was vor allem Kris sehr in den Kram passte, der kein Freund von allzu viel Sonne ist. Wir landeten in Algarrobo, parkten dort in der Nähe des Segelclubs mit Blick auf das Meer. Einige Wolken und Wind hielten uns nicht von einem Spaziergang entlang der Küste ab, wir bewunderten ein paar schöne Häuser direkt hinter der Promenade und blieben anschließend noch am Strand zum Buddeln und Toben im weichen Sand. Da hielt an der Straße ein Auto und jemand mit Sonnenhut stieg aus, schaute zu uns herüber, rief ‚Was verschlägt denn Berliner hierher nach Algarrobo?’ Kurzum: Hans wohnt mit seiner Familie seit ein paar Jahren in einem der bewunderten Strandhäuser, in dem wir uns – seiner Einladung folgend - wenig später trafen. Er und seine Frau sind auch Wohnmobilisten, waren mehrere Monate mit einem Unimog in Amerika unterwegs und so tauschten wir lange die diversen Erfahrungen aus und durften schließlich sogar auf deren Grundstück übernachten. Am nächsten Tag bekamen wir außerdem die Gelegenheit, das Familienprojekt Casa del Cerro mit tollem Restaurant, Weinkeller und Boutique zu besichtigen bevor es weiterging nach Santiago.

Auf dem Weg dahin aber fuhren wir noch in Isla Negra vorbei und schauten uns das bekannte und gut besuchte Wohnhaus von Pablo Neruda mit traumhaftem Blick auf das Meer an.

In Santiago mussten wir als allererstes eine Mall suchen. Denn wir brauchten dringend ein neues Objektiv für unsere Canon. Das bisherige hatte unter den 12.000 km Strecke (und insbesondere der Wüste) sowie 9000 Fotografien deutlich gelitten und bevor es in den Süden ging, musste die Ausrüstung wieder auf Vordermann gebracht werden. Erst am nächsten Tag fuhren wir ins Zentrum, fanden einen Wohnmobil-geeigneten Parkplatz und bummelten durch samstäglichen Kaufrausch, bunte Straßenstände, warfen einen Blick in die Kathedrale, sahen den Musikanten und Straßenkünstlern zu, aßen ein paar Kekse auf der Plaza de Armas unter schattigen Palmen, unweit von Tarot-Kartenlegern und Schachspielern im Pavillon. Auf dem Rückweg noch ein Eis, dann hatte uns die Panamericana zurück und wir waren mal wieder unterwegs Richtung Süden.

8. November

Valparaiso! Die Erinnerung an die Stadt wird sich für uns an 2 Menschen knüpfen: Senora Cornelia und Nathan.

Auf dem Weg ins Zentrum fuhren wir über einige der angeblich 47 Hügel, mit der typisch uneinheitlichen Bebauung aus Holz, Wellblech und diversen anderen Materialien. Es wurde immer voller und dann begannen die Marktstände auf dem Mittelstreifen, nahezu kilometerlang, mit Gemüse und Obst, aber auch allerhand Krimskrams. Wir hielten auf die im Stadtplan ausgewiesenen Parkplätze zu, in der Nähe des Hafens. Beide unterirdisch! Nichts für uns. Kris fuhr und fuhr, drehte Kurven, alle schauten und – kaum zu glauben – wir fanden schließlich einen. Vermutlich der einzige in der Stadt, der für Autos unserer Größe geeignet ist. Perfekt! Wir bummelten in Richtung des historischen Zentrums, stiegen ewige Stufen nach oben. Oben standen kleine bunte Häuser statt der geraden, gleichförmigen Riesen. Manche verziert, manche schlicht, zum Teil in grellen Farben, frisch renoviert oder mit verblasstem, blätternden Anstrich. Wir gingen wohl die übliche Tour, zuckelten langsam dahin, wie das eben so ist mit vielen und auch kleinen Kindern. Standen dann am Geländer, links die Aussicht auf den Pazifik – wenn man mal über die Enden der Hochhäuser hinwegsieht- , rechts nette Häuschen. ‚Kann ich Ihnen behilflich sein?’ sprach uns dort eine ältere kleine Dame mit grauen kurzen Haaren und in Strickjacke an. Wir waren erfreut, mit jemandem ins Gespräch zu kommen, Kris legte gleich los, fragte dies und das und wir bekamen ein Bild von ihrer Geschichte: studiert hatte sie – und wohl auch ihr Mann – in Ulm an einer technischen Hochschule. Ein kleines Institut, sagte sie und man habe immer viel von den anderen Materien mitbekommen. Bei ihr ging es wohl eigentlich um Texte, was sie später aber nicht davon abhielt Innenarchitektur zu lehren. Ihr Mann war Chilene und so hatten sie dann wohl hier in Valparaiso gelebt. Bis Pinochet kam. Das dauert höchstens 6 Monate, dachten sie erst, aber als nach 1 Jahr noch kein Ende absehbar war, da gingen sie nach Deutschland. Blieben dort fast 20 Jahre. Als sie anlässlich der Bestattung ihres Mannes wieder nach Chile kam, war das Haus verfallen. Aber ihre Tochter, die erstmals hier war, beschloss: Hier möchte ich bleiben. Und zog um. Die Mutter kam mit. Inzwischen waren wir ihrer Einladung gefolgt und saßen nur in der großen Küche im hinteren Teil des tiefen Hauses bei einem Tee und Keksen (sie hatte am Tag davor Nachbarschaftstreffen gehabt) und dann gab es für die Kinder sogar ERDBEERKUCHEN! Marnas war begeistert und verputzte 2 Stücke. Sivian war auch begeistert und krabbelte pausenlos von einer Ecke in die andere, hielt uns abwechselnd auf Trab. Beim Verabschieden in der Tür fragte Kris die ältere Dame noch nach ihrem Namen: Cornelia. Eine interessante Geschichte vor dem Hintergrund der Stadt.

Wir bummelten noch weiter, durch bunte Strassen, bergauf, bergab, über Plätze, nahmen den Aszendor nach unten und orientierten uns zum Parkplatz. Auf dem Weg dorthin, vorbei an der Baustelle und dem Zaun vor einem offenbar abgebrannten Gebäude, da warnte uns eine Frau, und von der anderen Straßenseite bedeutete uns ein Bauarbeiter acht zu geben, insbesondere mit der Kamera. Britta fielen zwei Jungs auf, die an die Mauer gelehnt standen, zu uns sahen und nachdem wir vorbei waren ebenfalls weitergingen. Noch ein paar von der Sorte saßen auf einer kleinen Mauer am Platz. Wir gingen eng zusammen, Kris auf Brittas Kameraseite, Talaja hinter ihm wegen des Rucksackes.

Dann verabredete Kris uns mit Nathan, dessen Telefonnummer er von einem ehemaligen Arbeitskollegen hatte, auf eine Stadtrundfahrt. Am Abend quetschen wir uns alle in sein Auto: Ithana, Talaja, Britta und Sivian hinten, Marnas mit Kris vorne. Nathan sagte, Vina finde er nicht so besonders, die Stadt habe nichts. Aber Valparaiso! Da pulsiert das Leben, das ist authentisch und bereits 500 Jahre alt! Nathan legte ein ordentliches Tempo vor, fuhr in halsbrecherischer Geschwindigkeit mit uns zurück nach Valparaiso, unterhielt sich gleichzeitig angeregt mit Kris, zeigte uns im Vorbeirauschen ein paar Gebäude, stürmte auf die Hügel zu, die Avenida Alemania entlang und immer wieder zeigte er mit begeisterten Ausrufen nach oben: hier und da und dort, all diese Häuser. Ja da waren sie, diese Häuser, an den Berg gebaut, scheinbar ohne Plan und Konzept und mit dem Material, das gerade zur Hand war. Nathan liebt diese Stadt, das war nicht zu übersehen! Die Straße führte plötzlich steil bergan, wir erreichten etwa 2/3 der einsehbaren Strecke, stiegen aus und bewunderten den Blick nach unten. Wie muss es seltsam sein hier zu wohnen, stetig ab- und ansteigen zu müssen. ‚Hier’, so teilte uns Nathan mit, ‚lebt die Mittelklasse, in manchen Ecken ist es aber schon etwas ärmlich.’ Mittelklasse? Wir waren verwundert. Für europaverwöhnte Augen sah das bei Weitem nicht nach Mittelklasse aus, sondern schon sehr arm. Im Eiltempo ging es den Berg wieder herunter und weiter südlich nach oben. Ganz nach oben. Es dämmerte bereits, als wir einen traumhaften Blick über das aufflammende Lichtermeer der Stadt hatten.

‚Chile hat eine hohe Arbeitslosigkeit’ sagt Nathan. ‚es gibt ein paar gute Dinge: Arme kriegen eine Gesundheitsversorgung, das Bildungswesen. Aber die lokale Wirtschaft ist zu wenig protegiert, nicht so wie in Argentinien, da kommt nicht dauernd alles aus China und die innere Industrie ist besser geschützt und damit auch die Arbeitsplätze. Der Chilene hat auch ein paar schlechte Eigenschaften, er ist unpünktlich, unzuverlässig, nicht loyal.' Nathan aber verkörperte ein ganz anderes Chile. Offen, herzlich und großzügig!

Nach 1,5 Stunden waren wir wieder an unserem Auto, der Marnas war eingeschlafen, Sivian dafür hellwach, wir alle etwas geschafft.

5. November

Los Molles ist ein Ort, der aussieht, als hätte er seine beste Zeit bereits hinter sich. Schön gelegen ist er, direkt an einer großen Bucht mit breitem Sandstrand. Hierauf brechen sich die kräftigen Wellen des Pazifik, die Tag und Nacht gegen das Land tosen. Los Molles ist nur drei Fahrminuten von Chiles Hauptachse, der Panamerikana entfernt. Und doch ist es hier nicht so schön, wie es sein könnte. Viele der Häuser sind nur noch Bretterverschläge, die Grundstücke sind ungepflegt oder verlassen und viele der ehemaligen Anwesen stehen zum Verkauf. Wir sind trotzdem geblieben, denn es war ruhig und das Abendlicht tauchte die Gegend in sanfte Farben. Das Wasser war eisig und hielt unsere Badezeit sehr kurz.

Heute morgen haben wir - eigentlich wie immer - ganz gemütlich gefrühstückt und sind dann weiter an der Küste entlang gefahren. Wir waren auf der Suche nach einem Campingplatz, denn unser Klo war nicht nur zum Überlaufen voll, sondern stank bei der Fahrt dermaßen, dass wir befürchteten, Sivian würde hinten das Bewusstsein verlieren. Wir fuhren vorbei an vornehmen Badeorten, mit Sandstrand neben schroffen und steilen Felsklippen, an denen sich riesige und wunderschöne Villen in die Berge drückten. Es hat lange gedauert einen Campingplatz zu finden, denn trotz der Nähe zu Santiago und des herrlichen Meeres sind Campingplätze hier selten. Fündig sind wir dann auch nicht am Meer, sondern an einem Fluss geworden. Und hier stehen wir jetzt, haben Wäsche gewaschen, gegrillt, ein Lagerfeuer gemacht und uns aller Unleidlichkeiten entledigt.

4. November

Dieser Schlenker durch das Inland hat sich wirklich gelohnt. Neugierig geworden dadurch, dass in unserem wirklich guten Reiseführer überhaupt keine Informationen zu diesem Stück Chile waren, entschlossen wir uns, die Panamerika (Hauptstraße Chiles) zu verlassen und ein wenig das Landesinnere zu erkunden. Entlang eines Tals ging es bergan, dem Flusslauf folgend. Ungleich zur (noch immer) kargen Umgebung, verwandelte hier das Wasser den spärlichen Bewuchs in ein kräftiges Grün. Saftiges Gras, große Palmen, Trauerweiden, Blumen und vor allem angebauter Wein waren eine Wohltat für unsere wüstengeplagten Augen. Wir stoppten an einem Stausee und genossen den Eindruck fruchtbaren Landes. Zur Nacht hielten wir auf einem Berg, genossen den Sonnenuntergang über den Bergen. Weiter ging es nach einem Frühstück in der Sonne. Zurück in Richtung Küste führte unsere Weg. Doch bevor wir wieder die Hauptstrecke erreichten passierten wir in einem kleinen Ort ein Ereignis, das wir uns nicht entgehen lassen wollten: Chilenisches Rodeo - Nationalsport.

Doch wer jetzt an amerikanisches Rodeo denkt, liegt falsch. Hier geht es nicht darum eine wilde Kuh oder ein ungezähmten Mustang zu reiten, sondern vielmehr ist das Geschick zweier Reiter im Umgang mit ihren Pferden gefragt. Ziel ist es, einen Bullen auf einer bestimmten Bahn in der Arena zu halten und nur mit Hilfe der Pferde an festgelegten Punkten zum Umkehren zu bringen. Die Reiter und Pferde sind herausgeputzt und elegant gekleidet: Sombrero, Weste, Lederchaps und an den Stiefeln gefährlich blitzende Sporen. Ein kurzer übergeworfener Poncho signalisiert in seinen Farben die Mannschaftszugehörigkeit. Und auch die Pferde sind glänzend gestriegelt, haben elegantes Zaumzeug, prächtige Sattel an denen das Lasso nicht fehlt und Steigbügel mit einem holzgefertigten Einsatz. So geschmückt treiben Reiter und Pferde die Bullen dann durch die Arena. Einer treibt von hinten, der andere sorgt durch einen Ritt an der Flanke des Rindes im Seitwärtsgalopp dafür, dass die vorgeschriebene Bahn eingehalten wird. Die Punkte werden von einem Kampfrichter in charakteritischen Situationen vergeben und immer dann, wenn der Bulle doch nicht tut was er soll, gibt es Abzüge.

Wir genossen dieses Ereignis. Aßen zu Mittag die typischen Gerichte und hatten die ganze Zeit das Gefühl, wirklich Authentisches zu erleben.

Nun sind wir wieder am Meer. Die Landschaft hat sich gewandelt. Inzwischen gibt mit STrauchgrün bewachsene Hänge und auch Bäume sind keine Seltenheit mehr. Wir sind auf dem Weg in den grünen Süden. In ein paar Tagen wird uns unser Weg nach Santiago führen und dann geht es in die Nationalparkregion. Wir lassen von uns hören!

1. November

‚Oh ja, viele Pelikane’, sagte der Kellner, der recht gesprächig war und Zeit hatte. Wir waren ja auch seine einzigen Gäste, so mitten zwischen der klassischen Mittags- und Abendessenzeit. Die großen Schwimmvögel, die manchmal etwas pikiert dreinschauen, waren von der Terrasse aus gut zu beobachten, und dann tauchte auch noch ein Seelöwe auf. Sie alle profitieren natürlich von den Fischabfällen des hiesigen Hafens. Tongoy, südlich von La Serena, ist ein beschaulich wirkender Fischerort und liegt malerisch zwischen zwei langen Sandstränden an einem felsigen Küstenzipfel. Vor dem Ort ist das Meer gespickt von kleinen Kähnen und der Sonnenuntergang ist traumhaft. Der Markt hält Fisch in vielen Arten bereit und natürlich Krebse und Muscheln, da konnten wir uns eine frische Fischmahlzeit auf keinen Fall entgehen lassen.